Macht-Sucht-Politik

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Film von Jürgen Leinemann und Viktor Grandits
Edmund Stoiber ist tief gefallen, vom Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern mit starker Stimme in Berlin zum bedeutungslosen Politrentner. Seit Monaten bieten die Bayern Edmund Stoiber, Horst Seehofer und Erwin Huber dem erstaunten Publikum ein Politik Schauspiel erster Güte. Der Stoff hat alles: von gnadenloser Intrige bis zu pikanten Intimgeschichten. Selten wurde auf offener Bühne so klar, dass Politiker für ihre Macht und den persönlichen Machterhalt bisweilen alles einsetzen – koste es, was es wolle. Die Bodenhaftung geht dabei verloren und mit ihr der Bezug zur Realität. Für die Medien ist das eine willkommene Schlacht um Schlagzeilen.
Wie verheerend die Entzugserscheinungen beim Verlust der Privilegien und Statussymbole für Politiker sind, haben wir schon oft beobachten können, etwa bei Heide Simonis, Helmut Kohl oder Gerhard Schröder. Den nun bevorstehenden Machtwechsel in der CSU nimmt der Film zum Anlass, zu zeigen, wie aus Menschen „Polit-Junkies“ werden können.
Jürgen Leinemann dokumentiert, wie der Mechanismus, der durch die Droge Politik verursachten Sucht, funktioniert und welche Folgen Politiksucht mit sich bringt. Warum tun sich eigentlich Politiker, die unentwegt über die Tücken und Unbequemlichkeiten ihres Berufes klagen, so schwer, die Macht abzugeben? Öffentliche Aufmerksamkeit, Dauerpräsenz in den Medien, Arbeitsbegeisterung, die keine Besinnung mehr zulässt sind Gründe für die Berufskrankheit. Auch das Bewusstsein, etwas zu bewegen, kann bei gesteigerter Leidenschaft zu dem oft beklagten Realitätsverlust bei Politikern führen. Dazu kommen volle Terminkalender, die manche wie eine Trophäe der eigenen Bedeutung vor sich her tragen. Was sind mögliche Motive und Ursachen? Wo geht es um die Begeisterung für „die Sache“ und wo nur um den Machterhalt? Wo fließen die Grenzen zwischen Einsatz und Sucht?
Natürlich ist das Suchtverhalten keine Domäne der Politik. Workaholics mit der Aussicht auf seelische Schäden finden sich auch in anderen Berufen. Doch bei Politikern kann diese Erscheinung gefährlich werden. Sucht bedeutet ja immer auch Realitätsverlust. Und wenn ausgerechnet diejenigen, die den Auftrag haben, die Alltagsrealität zu ordnen und zu verändern, ein gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit haben, dann läuft etwas schief. Dann fällt die Wahrnehmung von Wirklichkeit bei Politprofis und normalen Bürgern auseinander. Dann entstehen Situationen, in denen ein Politiker etwas sagt und die Menschen fragen sich: Wovon redet der? Wen meint der? In welcher Welt lebt der?
Der Politiker lebt auf dem Planeten Politik, der sich, ohne es zu merken, immer mehr von der Wirklichkeit der Erde entfernt hat, und nun in großer Distanz diese umkreist. Beziehungen und Familie, Freundschaften, Hobbys, Kunst und Literatur werden zweitrangig, ja bedeutungslos. Und der Politiker lässt dies auch gerne zu. Alles dreht sich um den „inneren Betrieb“, den der Politiker rasch mit der Wirklichkeit verwechselt. Kompensation für solche Defizite in der Alltagserfahrung ist die Teilhabe an der Macht und die Gewissheit, Einfluss zu haben. Nicht der Griff zur Flasche gehört zu den originären Stimulanzen, sondern der exzessive Gebrauch der Drogen „Aufmerksamkeit“ und „Bedeutung“.
Der Autor und langjährige Spiegel-Reporter Jürgen Leinemann gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Kennern des deutschen Politikbetriebs. Er hat die parteipolitische Machtszenerie jahrzehntelang aus nächster Nähe betrachtet und spricht mit Politikern wie Horst Seehofer und Erwin Huber aber auch mit Michael Naumann, der nach seinem Abschied aus der Politik jetzt Regierungschef in Hamburg werden will. Zu seinen Gesprächspartnern gehört auch Wolfgang Schäuble, der lange Jahre Kohls Kronprinz war, aber den entscheidenden Machtkampf dann doch verlor.
Junge Abgeordnete, oft allein wegen ihres Alters beachtet, bilden die Kontrastfolie in seinen Gesprächen. Sie wissen um die Gefahren ihres Berufes, reflektieren diese und können sich ihnen doch im Rauschiff Berlin nicht entziehen. Und natürlich beschäftigt sich Jürgen Leinemann auch mit der Rolle der Medien in dem politischen Spiel. Sein Fazit ist beunruhigend

Kategorie: Politik

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