Lobbyisten – Die stille Macht im Land

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Der direkte Wechsel von Spitzenpolitikern in den Lobbyismus hat in den vergangenen Monaten immer wieder Schlagzeilen gemacht: Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel heuerte beim Rüstungskonzern Rheinmetall an; dem früheren Gesundheitsminister Daniel Bahr steht eine große Karriere im Allianzkonzern bevor. Der ehemalige Staatsminister Eckart von Klaeden ging vom Kanzleramt zur Daimler AG, sein Kollege Ronald Pofalla wechselt demnächst zur Deutschen Bahn AG. Sie – und viele prominente Vorgänger wie Gerhard Schröder oder Joschka Fischer – setzen nun ihr Kontaktnetz und ihr in der Politik erworbenes Know-how ein für die Interessen ihrer Auftraggeber. In Berlin sind 2180 Lobby-Verbände beim Deutschen Bundestag registriert, geschätzte 5.000 Lobbyisten gehen hier ihrem verschwiegenen Job nach. „Lobbyismus ist prinzipiell nicht öffentlichkeitsfähig“, sagt ein Spitzenlobbyist. Trotzdem gelingen SWR-Chefreporter Thomas Leif in seiner Dokumentation „Leif trifft: Lobbyisten“ überraschend tiefe Einblicke in eine abgeschottete Branche, die zeigen, wie und warum Lobbyismus in Berlin funktioniert. Zudem wird belegt, dass Politiker die Nähe zu Lobbyisten selbst suchen und sich von einer Partnerschaft mit Wirtschaftsvertretern Vorteile versprechen. Erstmals wird in der SWR-Dokumentation die von der Öffentlichkeit abgeschottete Arbeit der beiden großen Lobbyisten-Vereinigungen „Collegium“ und „Adler-Kreis“ dokumentiert. Die hier versammelten Vertreter der DAX-Konzerne treffen sich regelmäßig zu internen Beratungen mit Ministern, Ministerpräsidenten und Fraktionsvorsitzenden. Dem SWR-Autoren Leif gelang es auch, für seinen Film hochkarätige Lobbyisten vor die Kamera zu bekommen: Hildegard Müller (CDU), früher Ministerin im Kanzleramt und enge Vertraute von Angela Merkel, arbeitet heute als Spitzen-Lobbyistin in der Energiebranche. Als Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mischt sie an entscheidender Stelle bei der Gestaltung der Energiewende mit, um politische Entscheidungen im Sinne ihrer Branche zu beeinflussen. Einblicke in die Welt der Strippenzieher der Rüstungsindustrie gibt auch deren Top-Lobbyist, Georg-Wilhelm Adamowitsch (SPD). Der frühere Chef der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium dient heute dem mächtigen Lobby-Verband der Rüstungsindustrie (BDSV) als Hauptgeschäftsführer. In der SWR-Dokumentation berichten auch zahlreiche Spitzen-Politiker umgekehrt von ihren Erfahrungen mit Einflüsterern des Lobbyismus, darunter der Chef des Kanzleramtes, Peter Altmaier. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert verweist im SWR-Film darauf, dass der Einfluss der Lobbyisten auf die Bundesregierung wesentlich stärker sei, als der Druck auf den Bundestag. Und der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, stellt fest: „Der Lobbyismus ist viel professioneller geworden. Die Lobbyisten gehen auch kleinteiliger vor, hoch spezialisiert. Sie vertreten mehr oder weniger legitime Interessen. Wir sind für das Allgemeinwohl zuständig. Da müssen wir die Lobbyisten natürlich auf Distanz halten.“ Aber ist es mit guter Absicht allein getan? Der Politikwissenschaftler und frühere Geschäftsführer der Bertelsmann-Stiftung Josef Janning bilanziert aus langjähriger, intimer Beobachtung des Berliner Politikbetriebs, dass schärfere Transparenz-Regeln für Lobbyisten durchaus Wirkung entfalten könnten. „Solange die Lobbyisten niemand zwingt, das Geschäft anders zu betreiben, werden sie es nicht tun, denn sie leben ja davon. In dem Moment, wo es sehr viel stärkere Transparenzvorschriften und Regeln gäbe, dann wäre der Handlungsspielraum der Lobbyisten deutlich geringer.“

Kategorie: Jobs

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