Der philosophische Salon: Aufklärungstechnologie

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Aufklärungstechnologie: Das Ideal der Selbstbefreiung durch das Wissen und die Praxis der Irrtumskorrektur

Traditionell wird das Programm der Aufklärung darin gesehen, die Unmündigkeit des Menschen zu reduzieren und seine Autonomie zu forcieren – was durch Selbstdenken, die Emanzipation von Autoritäten und zutreffendes Sachwissen geleistet werden soll. Karl R. Popper brachte diese Agenda durch das Ideal der „Selbstbefreiung durch das Wissen“ auf den Begriff. Doch es benötigt eine weitergehende Bestimmung, was näher unter dieser „Selbstbefreiung“ verstanden werden kann und welche Arten von Wissen und Wissensvermittlung die Realisierung dieses Ideals zu leisten vermögen. Diese näheren Bestimmungen konstituieren die „Aufklärungstechnologie“, deren Aufgabe es ist, zu eruieren, welche Mittel besonders geeignet sind, um den Zweck der Aufklärung zu erfüllen.

Der Vortrag wird in einem ersten Schritt eine Charakterisierung der Aufklärungstechnologie bemühen und sodann den Blick auf einige neuere Diskussionen in der angelsächsischen Psychologie werfen, die nahe legen, dass die Praxis der Irrtumskorrektur, die Gegenstand der Aufklärungstechnologie ist, mit Problemen zu kämpfen hat, die auch die Aufklärungstechnologie dazu zwingen könnte, neue Wege zu gehen. Im Fokus stehen hier exemplarisch sogenannte „Backfire-Effects“, die das gutuntersuchte Phänomen beschreiben, dass der Versuch, Irrtümer zu korrigieren, unter bestimmten Umständen systematisch zu einer Verstärkung dieser Irrtümer führen kann, statt zu ihrer Reduzierung. Um diesem Effekt zu entgehen, empfehlen einige Psychologen, rationale Diskussion und Wissensvermittlung durch indirekte Taktiken der Handlungs- und Überzeugungsänderung zu ersetzen. Im Anschluss an den Vortrag werden wir darüber diskutieren, welche Konsequenzen diese Debatten für die Aufklärungstechnologie haben können und müssen.

Literatur:

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Evelyn GRÖBL-STEINBACH SCHUSTER (2011): Was will und was kann Ideologiekritik? in: Philosophie und Wirtschaftswissenschaften. Mohr Siebeck, Tübingen.

Thomas KEUTNER (2004): Ignoranz, Täuschung, Selbsttäuschung. Kausalität in den Handlungswissenschaften. Karl Alber, Freiburg/München.

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Steven PINKER (2011): Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit. S. Fischer, Frankfurt a.M.

Karl POPPER (1987/2006): Auf der Suche nach einer besseren Welt. Piper.

Kurt SALAMUN (1991): Der Ethos der Aufklärung im kritischen Rationalismus. In: Ders. (Hg.): Moral und Politik aus der Sicht des kritischen Rationalismus. Rodopi, Amsterdam, S. 95 – 119.

Eugene SUBBOTSKY (2004): Magical Thinking – Reality or Illusion? In: The Psychologist, 17, 6, 336-339.

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J.S. WILLKINS; P.E. GRIFFITHS (2013): Evolutionary debunking arguments in three domains: Fact, Value and Religion. In: Dawes, G.W.; Maclaurin, J. (Hg.): A new science of Religion. London: Routledge, S. 133-146.

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Kategorie: Religion

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