Das kleine Fernsehspiel: Operation Naked (09.02.2016 ZDF)

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Michelle Spark kann sich keine Gesichter merken. Mit Hilfe einer neuartigen Datenbrille will sie ihr Defizit ausgleichen und löst dabei eine Katastrophe aus. Eine Mockumentary von Mario Sixtus über die revolutionären Auswirkungen, die eine Datenbrille mit Gesichtserkennungs-Software auf unsere Gesellschaft haben kann.

„Operation Naked“ ist ein fiktionaler Film über die Einführung von Datenbrillen und deren Auswirkung auf die Gesellschaft. Regisseur und Autor Mario Sixtus erzählt seinen Film nicht mit konventionellen Bildern, sondern setzt die Geschichte aus kurzen Ausschnitten aus ZDF-Sendungen zusammen. Bei der Collage aus unterschiedlichen Szenen haben rund 15 ZDF-Sendungen und ihre Moderatoren mitgemacht.

Mario Sixtus: ‚“Operation Naked” hat zwei Hauptpersonen: die Berliner Start-Up-Gründerin Michelle Spark, die eine Datenbrille mit Gesichtserkennung auf den Markt bringen will – und die Technologie selbst, die diese Brille antreibt. Wir erleben in “Operation Naked” zum einen, wie Michelle Spark als Unternehmerin von der Politik und von den Medien gefeiert und umworben wird – zumindest so lange bis kritische Stimmen laut werden und die Stimmung in der Bevölkerung zu kippen droht. Andererseits sehen wir, wie diese Technologie eine Eigendynamik entwickelt, wie sie damit beginnt, die Gesellschaft zu verändern und sich dabei naturgemäß nicht die Bohne um Politik, Medien oder die Volksmeinung schert – fast so wie ein freigelassener Virus.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Digitalisierung für unsere Gesellschaft und für unser aller Leben noch einige Überraschungen mitbringen wird, an die wir jetzt noch gar nicht denken – weil wir sie uns nicht vorstellen können. Und genau so fest bin ich davon überzeugt, dass dieser Prozess keine Pause- oder gar Stopp-Taste besitzt. Es fängt alles gerade erst an. Der Film “Operation Naked” ist ein Produkt dieser Überzeugung.

Die Geschichte von “Operation Naked” erlebt der Fernsehzuschauer aus der Perspektive eines Fernsehzuschauers. Der Film ist ein TV-Timeline-Forward-Zapping: Er springt auf der Zeitlinie immer weiter nach vorne, durch unterschiedliche Sendungen mit unterschiedlichen redaktionellen Schwerpunkten. Hier hat es mich gereizt, durchzuspielen, wie sich das Fernsehen mit all seinen verschiedensten journalistischen Blickwinkeln und vielfältigen Ansätzen solch einem Phänomen nähert: Die einen Redaktionen interessieren sich hauptsächlich für den Menschen hinter dem Unternehmen, andere beleuchten den wirtschaftlichen Aspekt, wieder andere bieten Skeptikern und Kritikern ein Podium. Das große Bild ergibt sich für jene Zuschauer, die diese verschiedenen Perspektiven für sich kombinieren und zusammenführen. Wenn man will, kann man “Operation Naked” also auch als Appell an den selbstbestimmten Mediennutzer begreifen.

Wie weit ist die Technologie in der Realität?

Die ersten paar Tausend Entwickler, die mit einer Google-Glass-Brille durch die Gegend liefen, bevor Google das Projekt zurück ans Reißbrett beorderte, durften erfahren, dass Technologieskepsis bisweilen sogar unter Technologiefreunden verbreitet ist. “Glassholes” nannte man die Glass-Träger auf Tech-Konferenzen, während Fitness-Clubs und Bars Glass-Verbotsschilder aufhängten. Dabei konnte die erste Generation von Glass nicht viel. Letztlich waren es Auf-der-Nase-Varianten von eher schlappen Android-Smartphones. Aber als Angst- und Unsicherheits-Auslöser waren sie prima geeignet.

Gesichtserkennung wiederum ist eine Technologie, die bereits erstaunlich gut funktioniert, die sich aber noch nicht wirklich herauswagt aus der Nische der Sicherheits- und der Zugangskontroll-Anwendungen. EU-Bürger etwa können auf mehreren Flughäfen bereits durch Roboter-kontrollierte Schleusen einreisen, wo nur noch eine Maschine das Passbild mit dem Gesicht vergleicht. Das funktioniert bemerkenswert unspektakulär, und vor allem Vielflieger schätzen die automatischen Grenzkontrolleure sehr.

Facebook besitzt mit “Deep Face” einen Gesichtserkennungsalgorithmus, der Menschen besser erkennt als Menschen. Facebook gönnt Gesichtserkennungssystemen allerdings bislang nur eine Nischenexistenz, irgendwo versteckt in der Foto-Anwendung. Auch Google und Microsoft halten sich zurück. Aber Entwicklungen lassen sich nicht aufhalten. Datenbrillen mit Gesichtserkennungsoftware werden kommen, und zwar schon bald. Datenschützer und auch der Gesetzgeber werden das nicht verhindern können. Wir leben in einer vernetzten Welt. Selbst wenn in Brüssel morgen ein EU-weites Verbot für Gesichtserkennungssoftware beschlossen würde, übermorgen würde eine koreanische Softwarefirma eine solche App zum Download bereitstellen. Letztlich verhält es sich mit Software wie mit Gedanken: Sie sind frei, man kann sie nicht verbieten. Mehr:

http://www.zdf.de/operation-naked/opertation-naked-statement-mario-sixtus-quantum-zdf-das-kleine-fernsehspiel-42175906.html

Kategorie: Unternehmen

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