Nazis im BND – Neuer Dienst und alte Kameraden

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Nazis im BND
Neuer Dienst und alte Kameraden

Nazis, Kriegsverbrecher und zum Teil auch Massenmörder gingen im westdeutschen Auslandsgeheimdienst nach dem Zweiten Weltkrieg ein und aus. Die Männer von SS und Gestapo prägten den Geheimdienst maßgeblich. Wie konnte es zu dieser personellen Kontinuität vom Dritten Reich bis in die 1960er Jahre kommen?

Der Auslandsgeheimdienst der Bundesrepublik Deutschland hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Mitarbeiter der besonderen Art: Walter Rauff, der Erfinder des mobilen Vergasungswagens, Alois Brunner, der für die Deportation von 128.000 Menschen in KZs verantwortlich war, und der sadistische Massenmörder Klaus Barbie, der als „Schlächter von Lyon“ in die Geschichte einging, waren für den Nachrichtendienst tätig. Barbie zum Beispiel arbeitete von 1966 an unter einem falschen Namen für den BND.

Es ist nicht verwunderlich, dass so viele vorbelastete Nazis beim Aufbau eines Nachrichtendienstes beteiligt waren, denn dessen Gründer und Chef war Reinhard Gehlen, ehemaliger Generalmajor des Dienstes „Fremde Heere Ost“. Diese Abteilung der Wehrmacht war für die Informationsbeschaffung an der Ostfront zuständig und verhörte und folterte russische Kriegsgefangene. Von 1946 bis 1968 leitete Hitlers Chefaufklärer Richtung Osten den Geheimdienst im westlichen Nachkriegsdeutschland. Dieser war sogar als „Organisation Gehlen“ bekannt und Vorläufer des 1956 gegründeten Bundesnachrichtendienstes.

Recruting von SS-, SD- und Gestapo-Mitgliedern
Gehlen holte vor allem alte Kameraden aus der Abteilung „Fremde Heere Ost“ in den neuen Dienst. Beim Anwerben von ehemaligen Nazis half ihm Wilhelm Krichbaum. Der frühere SS-Oberführer war auch Chef der „Geheimen Feldpolizei“, die während des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Kriegsverbrechen begangen hatte. Er rekrutierte viele ehemalige Angehörige von SS, SD und Gestapo, darunter auch den berühmten Doppelagenten Heinz Felfe, der im BND für Moskau spionierte. Schätzungen zufolge hatten 1950 um die 500 meist hochrangige Mitarbeiter einen solchen Hintergrund. Noch 1970 sollen zwischen 25 und 30 Prozent der Beschäftigten des BND ehemalige Angehörige dieser Organisationen gewesen sein. Die Amerikaner ließen diese gewähren, denn der neue Feind stand im Osten, und die ehemaligen Nazis waren für ihr Fachwissen und ihre antikommunistische Einstellung bekannt.

In den Akten lassen sich sogar Belege finden, dass auch in Nürnberg verurteilte – und später begnadigte – Kriegsverbrecher alten Kameraden Empfehlungsschreiben für den Dienst ausstellten. Bis in die Mitte der 1950er Jahre fand keine Überprüfung der Mitarbeiter in die Verwicklung von Kriegsverbrechen statt.

Personelle und räumliche Kontinuität
Neben der erschreckenden personellen Kontinuität im Geheimdienst ist es eine – kaum erhebliche, dennoch bezeichnende – Randnote der Geschichte, dass auch die Gebäude, die in dem bayerischen Städtchen Pullach genutzt wurden, eine Nazivergangenheit hatten. Die „Reichssiedlung Rudolf Heß“ wurde ab 1947 von der Organisation Gehlen und später vom Bundesnachrichtendienst (BND) genutzt.

Als Anfang der 1960er Jahre die großen Prozesse um Adolf Eichmann in Jerusalem und in Frankfurt um die Wachmannschaften des Konzentrationslagers Auschwitz die Öffentlichkeit aufrüttelten, geriet auch das Personal des BND in die Kritik. Eine unfreiwillige Entnazifizierung aller hauptamtlichen Mitarbeiter der Behörde war die Folge. Hans-Henning Crome führte damals die Untersuchungen. Er war sehr bestürzt, als er die Lebensläufe seiner Kollegen überprüfte. Erst nach diesen Untersuchungen konnte der BND langsam in eine neue, unbelastete Ära eintreten.

CIA-Akten geben viele Hinweise
„Viele Kriegsverbrecher und SS-Leute hatten in ihm ihre unter den Nazis begonnene Karriere ungehindert und unbestraft fortsetzen können. Das belegen nicht zuletzt jüngst freigegebene US-Geheimdienstakten aus den Fünfziger Jahren“, schreibt Andreas Förster in der Berliner Zeitung vom 18.07.2006. In den CIA-Akten gibt es viele Hinweise, dass Gehlen schon 1958 – zwei Jahre vor den Israelis – wusste, unter welchem Namen sich Adolf Eichmann in Argentinien versteckte. Man verriet aber nichts, denn man befürchtete, dass Eichmann den „Kontrolleur“ Gehlens, Staatssekretär im Bundeskanzleramt Hans Globke, belasten würde.

Der kanadische Historiker Timothy Naftali kommt nach der Auswertung von CIA-Akten zu dem Schluss, dass für die Organisation Gehlen mindestens 100 ehemalige SS-Mitglieder tätig gewesen seien.

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Kategorie: NTV

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